Schule im Mittelpunkt – selbst in den Ferien

Während die meisten Lehrer und Schüler mit ihren Familien Bade-, Wander- und Abenteuerurlaub machen, lässt Schulleiterin Edeltrud Pinger (WHG Neuwied) die Schule nicht los – wenn auch knapp 10.000 km entfernt auf der anderen Erdhalbkugel, nämlich in Sri Lanka. Mit 10 weiteren Mitgliedern des Freundeskreises Neuwied-Matara, der sich kurz nach dem zerstörerischen Tsunami im Jahr 2005 gründete und seitdem zahlreiche Projekte an vier Schulen im früheren Ceylon schuf und enorme Hilfe leistete (die RZ berichtete), konnte auch in diesem Juli wieder ein Objekt fertig gestellt und den Schulkindern am Anura College in Matara übergeben werden.

Waren es im letzten Jahr noch naturwissenschaftliche Klassenräume und ein Hauswirtschaftsraum, die mit den notwendigen Unterrichtsmaterialien ausgestattet der Schulgemeinschaft übergeben worden waren, so hatte man im zurückliegenden Jahr noch ein Stockwerk daraufgesetzt und so zwei weitere große Klassenräume geschaffen: einen großen Musik- und Tanzsaal, der im singhalesischen Curriculum zwar vorausgesetzt – aber selten vorhanden ist und einen „English-Medium“- Klassenraum, der jetzt auch eine zwar bescheidene, aber im Vergleich zum davorliegenden Nichts, passable Ausstattung enthält. Hier wird nicht nur Englisch als Fremdsprache unterrichtet sondern auch anderer Fachunterricht erteilt, bei dem Englisch als Unterrichtssprache ausgebaut werden kann, also als Medium, das die Tore zur Welt öffnet.

Die Spende des Freundeskreises Neuwied-Bromley machte die Anschaffung einer Anlage für den Einsatz von Kassetten, CDs und DVDs möglich und auch den dazugehörenden großen Monitor, der für die oft sehr vollen Klassen von weit über dreißig Kindern schon ein kleines Kino bedeutet. Die Schülerinnen und Schüler der 8. Klassenstufe des Werner-Heisenberg Gymnasiums hatten bei der letztjährigen „Aktion Tagwerk“ knapp 700 Euro erarbeitet, die einen Overheadprojektor, eine Musikanlage für den Musik- und Tanzunterricht und einen Teil der Schulmöbel abdecken konnten. Der Bau selbst wurde möglich durch Spenden der RZ-Aktion „Helft uns leben“, des Landes Rheinland-Pfalz, der Sparkasse Neuwied und anderen, sowie durch Einnahmen, die der Freundeskreis über seine Mitglieder zusammenträgt.

Eine Menge kleiner Sachspenden – hier sind besonders die vielen Kugelschreiber der Volks- und Raiffeisenbank Neuwied, der SK Neuwied und Köln, der Firmen Lohmann, Liqui Moly, Dekra und der DeBeKa u.v.a. zu erwähnen – bringen so viel Freude in die Schülerschaft, die unserem Land große Anerkennung und Freundschaft entgegenbringt.

Kein Wunder, dass alle Deutsch lernen wollen. Und genau das kann geschehen, wenn auch nur für eine kurze Zeit von drei Wochen. Gut 35 Schülerinnen und Schüler, darunter auch einige Lehrer, drückten die neuen Schulbänke, um unter professioneller Anleitung von Frau Pinger die schwierige Sprache zu lernen, was dann leichter wurde, wenn man schon ordentlich Englisch gelernt hatte.

Mit Hilfe einer Fremdsprache eine zweite Fremdsprache zu erlernen war für Schüler und Lehrerin eine Herausforderung, der man sich mit überwältigender Hingabe auf beiden Seiten stellte. Abschließend wurde der Lernerfolg mit einem kleinen Test überprüft und mit einem Zertifikat belohnt. Jeder der Teilnehmenden konnte sich nach den drei Wochen in Deutsch vorstellen, über sein Alter, seine Familie, seinen Wohnort und seine Hobbies berichten, die Zahlen und die Uhrzeit benennen und seinen Geburtstag mitteilen. So erfolgreich waren die deutschen Besucher beim Singhalesisch lernen nicht, obwohl auch sie kleine Fortschritte auf diesem Gebiet machten.

Der Ehrgeiz und die Leistungsbereitschaft in dieser singhalesischen Schülergruppe im Alter von 11 – 16 Jahren waren enorm, so dass der Unterricht keine Belastung darstellte sondern Freude auf beiden Seiten verbreitete. Bei der Zertifikatsvergabe am letzten Tag hatten die dankbaren Schüler nicht nur ein kleines Geschenk für Frau Pinger, sondern sie spielten in einem Sketch ihren Unterricht nach, in dem sie der versammelten Schulgemeinschaft alles Erlernte zum Besten gaben. Das macht Lust auf mehr, auch wenn sich alle wieder ein Jahr gedulden müssen.

In der Zwischenzeit kann man sich auch mit Brieffreundschaften behelfen, von denen es eine ganze Reihe zwischen Schülern des WHG und denen an den Schulen in Matara gibt. Der Briefwechsel in Englisch kann von beiden Seiten über Briefe geleistet werden, da nur ganz wenige über einen Computer verfügen und wer weiß – vielleicht gibt es jetzt auch das eine oder andere deutsche Wort in singhalesischen Briefen oder Emails.

Derweil gehen die Überlegungen der Vorstandsmitglieder über weitere Projekte und Hilfsmaßnahmen nach dem diesjährigen Besuch weiter. Bauen und Einrichten ist eine Sache, und diese Aktivitäten sind immer abhängig von den Spenden, die für die konkreten Projekte erbeten werden. Der Schrecken und die desaströsen Folgen des verheerenden Tsunamis sind an vielen Stellen gemildert. Die Armut in weiten Teilen des Landes – und vor allem in den meisten Familien, aus denen die Kinder zum Anura College kommen, – ist immer noch spürbar gegeben. Die Tatsache, dass auch für die Ärmsten der Armen die Bildung ihrer Kinder im Vordergrund steht, gerade weil man ihnen eine bessere Zukunft ermöglichen möchte, beeindruckte die Freundeskreismitglieder bei ihren Besuchen in Schulen und Familien. Aus dieser Wahrnehmung und diesem Bewusstsein sind Patenschaften entstanden, die den bedürftigsten Familien eine große Unterstützung bieten. Zehn konkrete Patenschaften gibt es mittlerweile an drei verschiedenen Schulen. Schulleitung und Lehrer sind eingebunden um sicher zu stellen, dass die Kinder und ihre schulische Ausbildung von dieser Unterstützung profitieren. In diesem – wie bereits auch im letzten Jahr – haben einige der deutschen Paten „ihre“ Familien und „ihr“ Kind persönlich besucht und stehen im regelmäßigen Briefkontakt mit ihren Schützlingen. Bei diesen Besuchen werden Unterschiede zwischen deutschen Selbstverständlichkeiten und Wohlergehen einerseits und bitterer Armut und bewundernswerter Lebensbewältigung andererseits deutlich.

Auf diesem Weg will der Freundeskreis Neuwied-Matara weitermachen. Patenschaften für 20 Euro monatlich können auf Anfrage im neuen Jahr vermittelt werden. In der in vielen Bereichen baufälligen Schule gibt es auch weiteren Bau- und Reparaturbedarf, für den staatseigene Mittel kaum zu erwarten sind. Aber auch der Freundeskreis kann hier nur weiterarbeiten, wenn ihm zahlreiche mehr oder weniger großzügige Sponsoren unter die Arme greifen.

Ein großes Plus des Vereins ist sein Geschäftsführer, Herr Sagara Abegunewardene, der aus Sri Lanka stammt, schon lange in Deutschland lebt, sein Land und seine Sprache kennt und außerdem einen verlässlichen, kompetenten Koordinator vor Ort in Matara gewinnen konnte. Dadurch gehen die gesamten Arbeitsabläufe, Bautätigkeiten, Finanzierungen, etc. ohne Reibungsverluste und ohne Einbußen vonstatten. Alle Vorstandsmitglieder und zahlreiche weitere Mitglieder reisen sporadisch oder regelmäßig auf ausschließlich eigene Kosten nach Sri Lanka. Sie initiieren, organisieren und begleiten die Projekte und achten auf ihre zweckdienliche Nutzung. Sie knüpfen Verbindungen und pflegen Freundschaften. So macht Entwicklungshilfe Sinn und Freude und führt zwei recht unterschiedliche Kulturen zusammen, die nun schon seit Jahren viel voneinander lernen.

Bei weiterem Interesse lohnt sich ein Blick auf die Homepage des Freundeskreises: www.tsunami-kinder-matara.de

Edeltrud Pinger für den Freundeskreises Neuwied – Matara

Besuch bei Patenkindern und ihren Familien


Besuch bei der Familie des Patenkinds Ruchini (Pate: Herr Dietmar Hörter)

Besuch bei der Familie des Patenkinds Rashmi (mit Patin Frau Marga Meilen-Hoppen, dem singhalesischen Koordinator, Herrn S. B. Navaratne, dem Vater von Rashmi und ihrem jüngeren behinderten Bruder)

die gesamte Familie des Patenkindes Rashmi mit ihren Paten Marga und Jürgen Hoppen, sowie der 2. Vorsitzenden des Freundeskreises, Edeltrud Pinger

Rückweg nach dem Besuch vom entlegenen Wohnort des Patenkindes (Der Besuch in der „Wildnis“ macht deutlich, wie sehr die
Übernahme der Internatskosten durch die Paten gerechtfertigt ist.)