Ein Bericht aus Sri Lanka

Ich wohne seit mehr als 50 Jahren in Deutschland und fahre seit 1967 jedes Jahr in den Sommer- und Winterschulferien mit deutschen Freunden in meine Heimat Sri Lanka. Bisher haben über 300 Freunde aus Neuwied, Altenkirchen und Umgebung meine Heimat besucht. Während einer Inselrundreise lernen sie die Schönheit, Kultur und Sitten meiner Heimat besser kennen.

Danach erholen wir uns bei einem zweiwöchigen Strandurlaub an der Südküste in Koggala Beach, in der Nähe meines Geburtsortes Matara. Während des Strandurlaubs haben wir mehrere Ausflüge nach Matara gemacht, wobei wir die Einwohner von Matara und die Schulkinder des Rahula College näher kennenlernten.

Reise im Winter 2004 nach Sri Lanka

Beim planmäßigen Reiseantritt am 20.Dezember 2004, wäre ich mit sieben deutschen Freunden, darunter Ex-Landrat Deckert aus Neuwied und seiner Frau, zur Tsunamizeit  im Yala Nationalpark im Süden gewesen, wo die meisten Parkbesucher, Hotelbedienstete und Einwohner in Yala ums Leben kamen. Wegen familiärer Angelegenheiten wurde diese Winterreise um eine Woche verschoben, so dass wir am 26. Dezember im Flugzeug saßen.

Das ganze Ausmaß der Tsunami-Katastrophe erfuhren wir erst nach unserer Ankunft im  Flughafen Colombo. Nach dem ersten Schock und reichlicher Überlegung entschieden wir gemeinsam, unsere Rundreise in veränderter Form anzutreten. Anstatt des geplanten Strand-urlaubs in Koggala verbrachten wir die letzten beiden Wochen im Hotel Culture Club (heute: Amaya Lake) im Mittelgebirge in Dambulla, obwohl die meisten Touristen abgereist waren.

Die große Gastfreundschaft und Freundlichkeit der Einheimischen – trotz dieser traurigen Lage – bestärkte unseren Entschluss, vom 26.12.04 bis 15.01.05 in Sri Lanka zu bleiben, um so auch die Menschen dort zu unterstützen.

Trotz Warnungen aus Europa über Epidemiegefahr entschied ich mich, eine Woche nach der Katastrophe meine Verwandten und Freunde an der Südwestküste so bald wie möglich zu besuchen, um in dieser schweren Stunde Trost zu geben und für sie da zu sein.

Nachdem die Regierung von Sri Lanka die Küstenstraße nach Matara freigegeben hatte, habe ich – mit meinem Fahrer und einem deutschen Freund und mit einer Ladung von Trinkwasserflaschen ausgestattet – die Reise von Negombo aus in den Süden um 5:00 Uhr früh angetreten.

Der Negombo Fischereihafen liegt in einer der schönsten Lagunen der Westküste und besitzt eine große Segeltrawlerflotte. Die Brücke, wo wir einst die  Fischer bei ihren Fängen beobachteten, war von den Tsunamiwellen stark demoliert. Über 200 Schiffe lagen kreuz und quer an den Ufern und unter dem Wasser verteilt. Der Strand mit Trockenfischmatten und der Fischermarkt waren wie leer gefegt. Wir sahen kleinere abgetriebene Fischerboote auf dem nahe gelegenen Friedhof. In Sri Lanka wurden insgesamt 20.000Fischereiboote zerstört.

Bei der Weiterfahrt erinnerte ich mich an die kühle, frische und  salzige Meeresbrise, die wir früher an der malerischen Westküste verspürten, wenn wir an den Kokospalmen vorbeifuhren. Direkt hinter Colombo, in Panadura, wehte schon ein unangenehmer, herber Geruch über die Küstenstraße, weshalb die meisten Besucher Atemschutztücher trugen.

Es gab auf beiden Seiten der Straße keine Häuser, Geschäfte, Gasthäuser, Beachrestaurants und Bushaltestellen mehr. Die drei Tsumaniwellen hatten nicht nur die Fischerhütten, sondern auch die festen Gebäude total weggefegt. Ich konnte nur die Konturen der Wohnhäuser erahnen, wo einst die fleißigen Händler an der Straßenfront an der Küste ihre Läden betrieben. Die mit Palmenblättern und Bambus gebauten  Beachrestaurants, wo ich damals mit deutschen Freunden Tee trank, waren von der Bildflache verschwunden.

Die Straße war mit schweren  Baggern frei geräumt und auf beiden Seiten lagen Schutthaufen aus Beton, Ziegeln, Unrat und umgestürzte Bäume. Einige Brücken waren durch Behelfskonstruktionen ersetzt, sodass wir langsam fahren mussten. Die großen Fischtrawler in Fischereihafen von Beruwala lagen umgekippt auf der Hauptstraße, sodass wir kaum durchkamen. Die kleinen Fischerboote waren völlig zerbrochen und die Teile lagen verstreut in Gebüschen und Gärten. Die Fischernetze sah ich auf den umgekippten Kokospalmen.

Ein völlig verzweifelter Fischer erzählte mir Betel kauend, dass er als “Ozean Junge” geboren war, er habe immer mit dem Meer gelebt, vom Meer verdient, das Meer geliebt und genossen. Das Meer habe ihm jetzt das allerliebste, seine Frau, genommen. Er hat nichts anderes gelernt als vom Fischen zu leben. Er erzählte mir, dass die Einheimischen jetzt auf Fischmahlzeiten verzichten, da sie glauben, dass die vielen Vermissten von großen Fischen verzehrt wurden.

Eine Schweizerin, die in Ahungalle ein Ayurveda Hotel betreibt, saß auf den Mauerresten ihres Komplexes und säuberte das Gelände gemeinsam mit Einheimischen. Sie erzählte mir, dass sie mindestens  fünfzig Dorfbewohnern das Leben gerettet hat, da alle in die dritte  Etage ihres Hotels kletterten. Mit Tränen in den Augen erzählte sie, dass sie mit einheimischen Handwerkern das Gasthaus viel schöner und sicherer aufbauen werde. Sie gab in ihrer Verzweifelung die Hauptschuld am Tsunami den Großmächten, die unter Wasser Bombentests durchführen und dabei den Meeresboden erschüttern.

Die Eisenbahnlinie, die parallel zur Küstenstraße verläuft, war auf längeren Strecken nicht sichtbar. Die Schienen lagen unter Sandbergen oder waren ins Landesinnere gespült worden. Der Schienenverkehr entlang der 120 Kilometer Strecke bis Matara war unterbrochen, da die meisten Bahnhöfe zerstört wurden.

Der Ungluckszug in Talpe, wo viele Reisende ums Leben kam, war von ausländischen Hilfskräften auf die Gleise gestellt worden. Ich sah Reisetaschen, Koffer und  Kleidung in den Abteilen, die zerbeult waren. Ein Bahnangestellter erzählte mir, dass dieser “Curd Train “ (Joghurtzug) noch nie so pünktlich vom Bahnhof abgefahren war, da normalerweise die Joghurtverkäufer die Töpfe ein- und abladen. Leider war der Zug am 26.Dezember so pünktlich dass die Tsunamiwellen den Zug auf freier Strecke an der Küste trafen. Viele Dorfbewohner haben einen tödlichen Fehler begangen, indem sie in den haltenden Zug als einen sicheren Schutz  einstiegen. Die dritte Welle von über sechs Metern hat hier mindestens 1200 Menschen das Leben gekostet.

Auf weiten Strecken bis Galle sah ich links und rechts der Strasse, dass nur noch Fundamente von den Häusern übrig waren. Viele meiner Landsleute haben den Schutt und Unrat weggeräumt und Zelte  aufgebaut und warteten mit Kanistern und Eimern auf Trinkwasser. Die Ladung von Trinkwasserflaschen habe ich hier verteilt.

Unterwegs traf  ich deutsche THW Mitarbeiter, österreichische Rotkreuzhelfer, die mit langen Hilfsgüterkolonnen, Richtung Hambantota unterwegs waren. Ich sah 4 US-Marines, die mit einem schweren Bagger und Bulldozer einen gestrandeten Fischtrawler am Meer frei schaufelten. Zu dieser Zeit halfen 400 US Marines in Galle und Umgebung bei Aufräumarbeiten und Brückenbau. Ein kleiner Junge hielt mir ein handgeschriebenes Plakat entgegen: “America – no war – they rebuild “- (USA – führt keinen Krieg – hilft uns beim Aufbau).

Wir sahen drei Hubschrauber, die sehr flach über die Küstenstraße, Richtung Südspitze Sri Lankas flogen und die Tsunami-Schäden näher inspizierten. Später erfuhr ich, dass der UNO Generalsekretär Kofi Annan und unser Premier Rajapakse nach Hambantota (4500 Tote) flogen, um die vielen Obdachlosen in Hambantota zu besuchen.

Nach drei anstrengenden Stunden erreichten wir unsere Bezirkshauptstadt Galle, wo 4140 Bewohner ihr Leben verloren, weil der Hauptbahnhof, der Busbahnhof, der Markt und die Geschäfte dicht hinter der holländischen Festung an der Küste liegen.

Der 26.Dezember war der zweite Feiertag, Sonntag und auch der buddhistische Poya Vollmondtag, und die meisten Familien waren unterwegs, um  ihre Verwandten zu besuchen. Als um 10:00 Uhr die Tsunami-Wellen kamen, war das Stadtzentrum in Galle voll mit Reisenden, die keinen Schutz fanden. Es war ein trauriger Anblick, von der höher gelegenen holländischen Festung aus meine Bezirkstadt Galle anzusehen.

Das an der Festung liegende Cricket Stadium, der Zentralbahnhof, der Busbahnhof und die Obst- und Fischstände waren komplett zerstört. Wie ein Wunder steht die Buddhastatue  vor dem Busbahnhof  fast unbeschädigt. Man erzählte mir, dass ein Mann, der auf die Statue kletterte, überlebt habe.

Mein nächstes Ziel war das Koggala Beach Hotel, wo wir oft im Sommer und Winter mit vielen deutschen Freunden unbeschwerte Ferien am Meer verbrachten. Die Gewalt der Wellen konnte ich von weitem sehen, da die zwei Meter hohe Steinmauer umgestürzt auf der Straße lag. Der Hotelmanager, Harsha, saß alleine, noch geschockt in seinem Büro, während einige Hotelbedienstete den Unrat beseitigten.

Das Koggala Beach Hotel ist ein langgestreckter  Hotelkomplex, die Zimmer sind nicht mal 30 Meter vom Meer entfernt. Die zweite große Welle hat in der unteren Etage die Fenster und Türen zusammengedrückt, die Hotelmauer umgestoßen und das gesamte Mobiliar auf die Küstenstraße geschoben.

Herr Harsha, der Manager des Koggala Beach Hotels, der viele Freunde in Neuwied hat, dankte für die großzügige deutsche Hilfe. Er hatte nur 20 seiner 120 Bediensteten behalten können, hoffte aber, das Hotel schnellstens aufzubauen und bat die deutschen Freunde, wieder nach Koggala zu kommen.

Mit ungewisser und bedenklicher Vorahnung fuhren wir weiter nach Matara, meiner Heimatstadt. Die Zeitungsberichte von 1200 Toten und 415 vermissten Bürgern, sowie 14500 zerstörten Häusern, wollte ich zuerst nicht wahrnehmen. Obwohl ich von Colombo aus mit meiner Schwester telephonischen  Kontakt hatte, war ich endlich erleichtert, sie, ihren Mann und die Kinder in den Arm zu nehmen. Sie erzählte mir, dass sie alles gepackt hat, aber das Haus nicht verlassen wollte. Die dritte höhere Tsunamiwelle hat nur die Straßenkreuzung vor ihrem Haus erreicht.

Meine Schule, Rahula College Matara, eine buddhistische Schule mit 4500 Schülern, war nicht beschädigt, da die Schule weiter entfernt von der Küste liegt. Dieser Schule wird von Neuwiedern sehr unterstützt. Erst im Sommer 2004 haben Freunde aus Neuwied die Schule besucht und eine großzügige Spende für den Kauf der Kostüme für das Schulballett gestiftet. Der Schulanfang am 10. Januar  war verschoben worden, da über 2000 Obdachlose, meistens Kinder, vorübergehend dort untergebracht waren. Viele Kinder, die in 44 Lagern in Matara wohnen, kehrten tagsüber zu ihren demolierten Häusern zurück, um ihre Bücher und Spielzeuge zu suchen.

Zwei christliche Schulen, das Gefängnis, das Resthouse, der Bazar, das Postamt, der Zentralbusbahnhof und viele Geschäfte  liegen an der Beach Road, die parallel zur Küste verläuft. Glücklicherweise war der  26. Dezember ein schulfreier Sonntag, jedoch  sind die meisten Mataraner hier ums Leben gekommen. Viele Gefangene konnten noch gerettet werden, da sie frühzeitig den  Wellen entkamen und auf die höher gelegene holländische Festung kletterten.

In Matara, wo meine Eltern lebten, habe ich das Grab meiner Eltern auf dem Stadtfriedhof besucht. Direkt dahinter war das Massengrab von 568 Mataranern, die identifiziert und nach einer buddhistischer Zeremonie schnell beerdigt wurden. So nahm ich Abschied vom Friedhof in Matara, mit dem festen Entschluss sobald wie möglich wiederzukommen.

Ein Landsmann, Wicky, der mit uns in Deutschland studierte und in Berlin mit seiner deutschen Frau und Kindern lebte, hat in Tangalle ein sehr schönes Bungalowdorf, „Nature Ressort“, aufgebaut. Er ist alleine nach Sri Lanka geflogen, um mit seinen Hotelbediensteten und Gästen Weihnachten zu feiern. Alm zweiten Feiertag beim Frühstück  kamen die Tsunamiwellen, die alle seine Gäste, die Hotelbediensteten und ihn das Leben kosteten.

Die sechsstündige Fahrt entlang der Westküste habe ich in Tangalle beendet und fuhr entlang der Gebirgsroute zum Berghotel Culture Club in Dambulla zurück, um meine Eindrücke zusammenzufassen und diesen Bericht zu schreiben.

Abschließend möchte ich mich bei Familie Deckert und den anderen Freunden bedanken, dass sie in diesen schweren Stunden drei Wochen in Sri Lanka blieben und mir mit Rat und Tat beistanden.

Sagara Abegunewardene

Mit Ihren Spendengeldern wirdes den Kindern von Matara, die Ihre Eltern verloren haben, ermöglicht, weiterhin eine gute Schulbildung zu genießen. Wir werden diesen Kindern ihr Schulgeld, ihre Unterichtsmaterialien und ihre Schuluniformen bezahlen.

Seit 1987 haben viele deutsche Freunde meine Heimatstadt besucht und diese Möglichkeit genutzt, um die Schüler, Lehrer und Schulleiter kennenzulernen.

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Unsere Freunde haben der Schule den Vorhang für die Schulaula, Bücher, Schulmaterialien, Sportgeräten und Videokassetten usw. gestiftet. Im Sommer 2004 spendeten Kreisbeigeordneter Herr Kessler aus Neuwied und seine Freunde 12 000 Rupien für den Kauf der Kostüme des Schulballetts.

Zur Zeit läuft ein Stipendium für den begabtesten Schüler der 13. Klasse, welches von deutschen Freunden finanziert wird.